Als er an der Eisbahn ankommt, wähnt er sich im siebten Himmel. Nachdem er sich für die Eishockey-Schlittschuhe und nicht für die schwarzfarbigen Eiskunstlauf-Dinger entschieden hatte, sieht er sich gedanklich zum wiederholten Male den Puck ins Netz hämmernd orgiastisch jubelnd vor den Menschenmassen dahin treiben. Doch Wunschträume und Realitäten liegen manchmal eben doch meilenweit auseinander.
Bereits beim Anziehen der Schlittschuhe bemerkt er, wie der einstmals vor Elan nur so sprühende Meister aller Klassen eingerostet ist und nunmehr seinem sportliche Fiasko entgegenschlittert. Ein Knick und schon landet er stolpernderweise, nachdem er zuvor wie ein waschechter Schneider die ellenlangen Seilschaften Öse für Öse verschnürt hatte, auf dem harten Gummiboden der Tatsachen. „Was geht hier denn ab? Krasse Nummer“, gibt er völlig erstaunt zum Besten. Die Vier- bis Achtjährigen lachen sich schlapp. Er stimmt mit einem wimmernden „das gibt’s doch gar nicht“ ein.
Er steht auf. Schmunzelt noch ein „super-heftig“ heraus, während andere Eisbahnfetischisten seinen leicht verwirrten Gesichtsaudruck wahrnehmen. Er scheint entlarvt. Wie auf Eiern laufend, wagt er dennoch den etwa 20 Meter langen Gang nach Canossa. Doch die Eisfläche entpuppt sich wenig später als ein Ort des Grauens. Zwei Eiskunstlauf-Freaks, die er Sodom und Ghomorra nennt, gleiten wie die Gazellen an ihm vorbei, andere fahren im Eishockey-Style grandios rückwärts, drehen Pirouetten und sind enorm cool. Cool sind bei ihm nur die Schlittschuhe - und vor allem das Eis mit dem er noch näher Bekanntschaft machen sollte.
Die ersten Schritte klappen dann wider erwarten erstaunlich gut. Doch wenige Augenblicke später erweist sich sein unerwartet gewonnenes Freiheitsgefühl als ein Trugschluss, denn er sollte seinem Gleichgewicht alsbald einen dramatischen Test unterziehen.
Als er sich mit einem Affenzahn in Richtung Kurve bewegt und von einem der Eislaufprinzen tuschiert wird, verliert er den Halt und donnert schnurstracks gegen die Bande. Der Check sollte Folgen haben.
Fortan wankt er wie ein vom Alkohol gezeichneter Deliriumpapst über das Eis, dazu gesellt sich ein stechender Schmerz, der permanent seine Füße drangsaliert. Seine geknechteten Füße sind zwar ohnehin mit etwa 11 Zentimeter nicht allzu breit, doch die Nieten seiner Schlittschuhe graben sich in die Seiten seiner Mauken und quälen ihn ergiebig. Doch nicht nur mit jämmerlichen Quetschungen hat er zu kämpfen: Die Kufen unterhalb seines Schuhs, die sich umzukehren scheinen, gravieren sich gefühlt wie eine rasiermesserscharfe Klinge in die Sole ein. Er meint, Runde um Runde dahinzusiechen. Flugs entscheidet er sich, das Experiment abzubrechen. Er steuert auf den Ausgang zwischen den Banden zu und grüßt schließlich erneut den Himmel mit seinen Schlittschuhen. Sense. Sehr devot kriecht er von der Eisfläche und schleppt sich dann in die Umkleide. Dort zieht er die Dinger aus, wirft sie in die Ecke und schmollt. Beim Anblick seiner mit einem Nietenmuster versehenen Füße, die sich ihm bläulich schimmernd dank der Quetschungen entgegenstrecken, kullern mental die Tränen der Enttäuschung. Nichts war es mit einem realen Olympiasieg. Den will er aber spätestens in 24 Jahren einstreichen. Dann nämlich wird er wohl mit Stahlplatinen, die die Knöchelchen seiner Füße zusammenhalten werden, antreten. Traumatische Träume.
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