Sonntag, 30. November 2008

Der Auto-Radio-Profi-Strippenzieher

Er ist absolutes Wrack. Musiktechnisch läuft schon lange nichts mehr. Wenn er im Auto sitzt, dudeln irgendwelche kranken Sender ihre schmalzigen „Hits“ rauf und runter. „Zum Erbrechen.“ Seitdem das antike Auto-Radio seine steinalten aber immer noch kultigen Casis nicht mehr schluckt, leidet sein Gemüt. Magenkrämpfe. Von Aggressionen und gleichzeitigen Weinkrämpfen geplagt, begrüßt er beinahe täglich das Radio-Grauen wenn er auf den Highways der Republik unterwegs ist. Doch wie so oft, ist er selbst Schuld an seiner Misere. Die musikalische Diaspora hat allein er selbst zu verantworten. Denn auf seinem Schreibtisch lagert das Blaupunkt San Remo CD32, das ihm sein Kollege MK netterweise geschenkt hat, seit April 2007. Aber erst jetzt, etwa eineinhalb Jahre später, ist es endlich soweit. Er beweist Mut und wagt es. Nein, er legt selbstverständlich nicht selbst Hand an. Das kann er nicht, überhaupt nicht. Technisch ist er eine absolute Null. Punktum: Es kann nur einen geben: Ayse - der Auto-Radio-Profi-Strippenzieher vor dem Herrn. Wenn es einer drauf hat, dann er.

Routiniert wie eh und je schreitet er sofort ans Werk. Ein kurzer Blick genügt und schon weiß Ayse was Sache ist. „Da ist dein Glückstag“, meint der Experte. Ehrfurchtsvoll beobachtet der Laie und Azubi in spe, wie der Strippenmeister kühlen Kopf bewahrt. Etwa eine Minute später ist der Käse gegessen. Die Stecker sitzen. „Das schlimmste haben wir geschafft. Das Ding hat Strom“, sagt Asye. Doch dann tauchen unerwartet Probleme auf. Die CD-Funktion funktioniert zwar, aber dafür das Radio nicht richtig. Doch verzagen gilt nicht, der Strippenmeister hat alles im Griff. Ein Blick genügt: „Wir haben die Fehlerquelle lokalisiert. Wollen wir mal das Antennenkabel fixieren.“ Fachmännisch greift Ayse in seine Wundertüte, holt das Klebeband ’raus und reißt ein paar Fetzen ab. Kein Problem und schon ist alles eingetütet. Das Radio funktioniert - Experte und Laie sind zufrieden. Das musikalische Wracksein gehört der Vergangenheit an. Endlich wieder coolen Stoff. Danke Strippenmeister.

Dienstag, 25. November 2008

Hirnsausen

Rattenalarms Brain rattert

Heute: Ein Anflug von Kult



Samstag, 22. November 2008

Schweißgebadet an der Kasse


Der Magen knurrt. Er hat Hunger, erbärmlichen Hunger. Der Weg zum Kühlschrank ist nicht weit. Er öffnet ihn. Eiseskälte schlägt ihm entgegen. Bis auf Marmelade, verkrusteten ollen Käse und einer einsamen Frikadelle von vorgestern ist nichts mehr da. Gähnende Leere. Zeit, zu handeln. Aldi, Lidl und Konsorten warten mit Köstlichkeiten auf ihn.


Schnell zieht er sich die Jacke an, rennt zum Auto und startet seine Kiste. „Moment! Da war doch noch was“, denkt er. „Mist! Ich hab’ das Portemonnaie vergessen.“ Zurück, alles auf Anfang. Doch dann geht es endlich los. Die Ruhe verflüchtigt sich allerdings schneller als gedacht. Er blickt während der Fahrt in seine Geldbörse. „Das war doch klar! Summa summarum 4,37 Euro.“ Den Großeinkauf kann er sich abschminken. Ein Hoffnungsschimmer: Die EC-Karte zwischen all den unnötigen Zetteln blitzt. Der Aufschrei der Erleichterung währt jedoch nicht allzu lang. Seine Gehirnwindungen spielen ihm einen Streich. Er weiß es nicht. Der aktuelle Kontostand bleibt ihm ein Rätsel. Ein Martyrium bahnt sich an.

Auf dem Parkplatz vor dem Laden überlegt er noch, was er denn jetzt eigentlich hier soll. Er hat nicht einmal den Euro für den Einkaufswagen. Zwei zwei Euro-Stücke, drei Mal fünf Cent und der Rest vom Schützenfest. „Da geht nicht viel.“ Die Unsicherheit quält ihn. Egal, er setzt auf Risiko, alles auf eine Karte. Nervös rennt er durch den Laden, schnappt sich einen Karton und schreitet mit hängendem Kopf durch die Reihen. Ab und zu greift er nach ein paar Kleinigkeiten, blickt dabei nach alle Seiten und denkt: „Guck sie dir an. Sie wissen es. Ich habe keine Asche auf Tasche.“ Doch mutig begibt er sich zur Kasse, legt mit schweißgebadeten Händen die Ware auf das Fließband. Jetzt gilt es.

Vor ihm steht ein Freak in seinem Alter. Etwa zehn Teile scannt die griesgrämig dreinschauende Kassiererin ein. Der Freak wird hochgradig nervös. „Was ist denn mit dem los“, denkt er. Mit zitternden Händen zückt der Freak seine EC-Karte und schiebt sie in den Leseschacht. „Systemfehler“, sagt die Kassiererin. Die Schweißperlen rinnen vom Gesicht des Typen nur so herunter. Er versucht es noch mal. „Systemfehler.“ Die Kassiererin weiß es: Der Freak hat keine Kohle. Sein Gesichtsausdruck spricht Bände. Ein Zittern seiner linken Wange lässt erahnen in welcher Gefühlswelt er sich gerade befindet. Doch sein Trumpf sind die drei Fünf-Euro-Scheine, die er aus seiner Hosentasche kramt. Notreserve vermutlich. 14,89 Euro muss er blechen. Der Freak scheint ein mathematisches As zu sein. Er blickt nochmals durch die Reihen, macht dann aber schnell den Adler. Denn er weiß: Die, die an der Kasse stehen, sehen alles. Sie lechzen geradezu nach Skandalen.

Jetzt ist es soweit. Er ist an der Reihe. Langsam, Zentimeter für Zentimeter, nahezu demütig kriechend bewegt er sich vorwärts. Der Gang nach Canossa ist beschwerlich. Die Kassiererin, so glaubt er, denkt: „Ach, schon wieder so einer.“ Die Lippen seines Mundes spitzt er, als wenn er ein fröhliches Liedchen pfeifen wollte. Ein selbst inszenierter symbolischer Abgesang? Vielleicht, denn er hat wesentlich mehr als 4,37 Euro auf den Tresen gepackt, darunter acht Päckchen Tabak a 3,40 Euro. Er will es wissen. Die Kassiererin scannt alles ein. Er kratzt sich den Schädel. „54,77 Euro, bitte“. Die Alarmsirenen heulen. Trotzig zieht er seine EC-Karte und gibt sie ihr. Flugs landet sie im Lesegerät. „Bitte den PIN eingeben und bestätigen.“ Okay. Gesagt, getan. Bruchteile von Sekunden vergehen. Der Kassendeckel springt auf. Er feiert. Jubelarien durchziehen seinen Körper. Ein überschwänglicher Pfiff. Die Leute gaffen. Freundlicher denn je verabschiedet er sich. Draußen zündet er sich eine Zigarette an. Der Hunger ist verflogen.

Montag, 17. November 2008

Ein Mann, eine Krankheit

Der Blick in den Spiegel entlarvt das ganze Ausmaß des Dramas. Glasige Augen, schwarze Ränder und eine triefende Nase: Ein Mann, eine Krankheit.
Früher war er Hypochonder - extrem anfällig und ständig in Alarmbereitschaft. Er nahm alles mit, was er nur kriegen konnte. Akribisch beobachtete er seine körperlichen Empfindungen. Klassiker a la Schnupfen, Husten, Halsschmerzen waren obligatorisch – rotierend einmal im Monat. Ab und zu gesellten sich Atemnot, Blutvergiftungen oder auch Herzschmerz dazu. Die ganze Palette eben.


Er sah Viren, die niemand sonst sah. Immer und immer wieder strömten die Biester nur so auf ihn ein. Geradezu danach haschend, öffnete er seine Schleusen und sog alles in sich hinein. Er war es, den sie wollten. Denn er wusste, wie man leidet. Er war ein Mensch, der sich nicht wohl fühlt, wenn er sich wohl fühlt. Kleinigkeiten gab es prinzipiell nicht. Der Exitus stand stets Pate, wenn er seine Symptome analysierte. Doch jetzt, Jahre später, fühlt er sich in Sicherheit.


Doch die Viren sind wieder da. Er wird in die Apotheke rennen und diese kleinen possierlichen Erreger, die orgiastische Freudenfeste in seinem Körper feiern, bis aufs Messer bekämpfen. Ist es nicht wunderbar? Kaum beginnt der Urlaub und schon fängt man an zu röcheln. Herzlich Willkommen in der kühlen Jahreszeit!

Donnerstag, 13. November 2008

Back To The Roots II

Number-One-Classix Of All Time:
Heute Barry McGuire - Eve of destruction

Es ist ein Protestsong. Vielleicht der Protestsong überhaupt. Jeder, der Barry McGuires phänomenal rauchigen Stimme zuhört, gerät unmittelbar in ihren Bann. Der Song thematisiert facettenreich die Missstände in den USA des Jahres 1965. Es ist das Zeitalter des Kalten Krieges, der schonungslos die amerikanische Gesellschaft durchdringt. Ob Vietnamkrieg, Rassendiskriminierung oder heuchlerische Doppelmoral: McGuire trifft den Nerv seiner Zeit. Zornig, verzweifelt rechnet er ab. Ein Gesellschaftsportrait, in dem die von ihm verbreitete Endzeitstimmung auch heute, mehr als 40 Jahre später, nicht an Aktualität einbüßt. Schließlich sind Kriege und Diskriminierungen weiterhin Bestandteil in allen Gesellschaftssystemen der Welt.





The eastern world, it is exploding Violence flarin', bullets loadin' . You're old enough to kill, but not for votin'. You don't believe in war, but what's that gun you're totin'. And even the Jordan River has bodies floatin'. But you tell me over and over and over again, my friend. Ah, you don't believe we're on the eve of destruction. Don't you understand what I'm tryin' to say Can't you feel the fears I'm feelin' today? If the button is pushed, there's no runnin' away There'll be no one to save, with the world in a grave [Take a look around ya boy, it's bound to scare ya boy] And you tell me Over and over and over again, my friend Ah, you don't believe We're on the eve of destruction. Yeah, my blood's so mad feels like coagulatin' I'm sitting here just contemplatin' I can't twist the truth, it knows no regulation. Handful of senators don't pass legislation And marches alone can't bring integration When human respect is disintegratin' This whole crazy world is just too frustratin' And you tell me Over and over and over again, my friend Ah, you don't believe We're on the eve of destruction. Think of all the hate there is in Red China Then take a look around to Selma, Alabama You may leave here for 4 days in space But when you return, it's the same old place The poundin' of the drums, the pride and disgrace You can bury your dead, but don't leave a trace Hate your next-door neighbor, but don't forget to say grace And... tell me over and over and over and over again, my friend You don't believe We're on the eve Of destruction Ah, no no, you don't believe We're on the eve of destruction.

Montag, 10. November 2008

Qualen des Tages III



Kurz vor sechs, der Wecker klingelt - wieder ist extrem frühes Aufstehen angesagt. Puh, das Wochenede sitzt noch in den Knochen. Schnell anziehen, das Taxi wartet. Ab geht's zum Bahnhof. 6.15 Uhr. Floskeln werden ausgetauscht, der Fahrer ist allerdings genauso wenig gesprächsbereit wie ich selbst. Draußen ist es ungemütlich: der Wind ist empfindlich kühl, kurzzeitg peitscht auch noch der Regen. Bielefelder Wetter. Wunderbar, denkt der Pendler zwischen den zwei Welten.



Egal, er raucht vor dem Bahnhof schnell eine Fluppe, nichts ahnend, was ihn gleich erwarten wird. Er rennt zunächst zum Bäcker, holt sich zwei Brötchen und organisiert anschließend noch den Kicker. "Super, der Pflichtteil ist erfüllt", denkt er. Doch dann beginnt das Grauen. Er blickt auf die Anzeigentafel der Bahn und sieht voller Entsetzen, dass bereits der 5.38 Uhr-Zug Richtung Berlin eine Verspätung von angegebenen 50 Minuten hat. Konsequenzen scheinen auch für seinen 6.38 Uhr-Zug zu drohen. Geistesgegenwärtig rennt er zum Schalter und hakt nach: Was ist da los? "Nein, ihr Zug ist von den Verpätungen nicht betroffen", versichert ihm der Bahnangestellte mit einem Lächeln. Doch als sich der Pendler umdreht und erneut zur Tafel hochblickt, ist es amtlich. Seine Mine verfinstert sich. Auch sein Zug hat jetzt eine Verspätung von zehn Minuten. Das Hirn rotiert. Die Hochrechnungen laufen. Schafft er den Anschlusszug in Spandau nach Neuruppin? "Noch ist alles im grünen Bereich." Er geht zum Bahnsteig. Wieder eine Veränderung: 20 Minuten Verspätung. Dann 30 und schließlich wird noch die 40er Marke geknackt. "Super!" Die Gewissheit ist da, pünktlich kommt er nicht nach Neuruppin. Aber die Fakten liegen wenigstens auf dem Tisch: Irgendein Güterzug hat bei Beckum die Gleise blockiert. Unfall. Unheil.


Er ist dennoch froh, endlich die Kälte hinter sich gelassen zu haben. Er sitzt im warmen Zug. Dann fangen die Bahnangestellten an, jeden mit Freigetränken zu versorgen. Kaffee, Wasser, Saft: Die ganze Palette wird aufgefahren. Aber der Freak bleibt eisern. Er ist angenervt und nimmt keines der Angebote war. Er studiert aufmerkasam den Kicker, liest dann den völlig abgedrehten und durchgeknallten russischen Roman namens Ljod - Das Eis. Ab und zu nickt er ein. Checkt nochmal die Lage und erkundigt sich, wie das mit seinem nächsten Anschlusszug aussieht. "Alles kein Problem". Denkste! Vor Berlin hatte anscheinend jemand keinen Bock mehr und hat Schienen mit Köpfen gemacht. Toll, der arme Kerl: Warum? Er wird wohl schwerwiegende Gründe gehabt haben, aus dem Leben scheiden zu wollen, glaubt er. Bitter!



Dann ist Spandau in Sicht. Super! Den Anschlusszug um 10.06 Uhr schafft er. Schnell rennt er zu einer cholerischen Schaffnerin, wie er wenige Sekunden später feststellen muss, um sich die am Ende 60 minütige Verspätung auf seinem Ticket abzeichnen zu lassen. Der Verspätungstrip muss schließlich fürstlich entlohnt werden. Aber die Furie macht erstmal so richtig amtlich Theater. Genau das war es, worauf er gewartet hatte. Klassisch Bahn eben. Nach etlichen Diskussionen kommt sie ihrer Pflicht dann doch noch nach. Ab in den nächsten Zug - gähnende Langeweile und Bummelei. 11.30 Uhr. Das Ziel ist erreicht. "Danke", sagt er sich. "Es macht immer wieder Riesenspaß mit der Bahn zu fahren." Mal sehen, wie das mit der Kohle laufen wird. Bestimmt total unkompliziert. Da ist er sich sicher.

Montag, 3. November 2008

In den Fängen des Christentums



Buchtipp: Arcanum - Im Zeichen des Kreuzes

Spannungsgeladen, actionreich und mit überraschenden Wendungen garniert: Chris Kuzneskis "Arcanum - Im Zeichen des Kreuzes" ist ein Reißer. Der Thriller mit rasanten Schauplatzwechseln, in dem verschiedene Handlungsstränge nach und nach zusammengeführt werden, lässt den Bücher verschlingenden Leser nicht mehr los. Die Energie sprüht quasi aus den Lettern heraus. Man hat stets das Gefühl, dabei zu sein.
Zur Story: Weltweit werden vier Menschen wie einst Jesus Christus ans Kreuz genagelt. Währenddessen sind die beiden Archäologen Dr. Charles Boyd und Maria Pelati dem wohl größten Geheimnis (lateinisch Arcanum) des Christentums auf der Spur. Im italienischen Orvieto -während des 40 Jahre andauernden Schisma war das umbrische Orvieto zeitweise Residenz der Päpste des Mittelalters - finden sie in unterirdischen Katakomben eine Schriftrolle, für die eine skrupellose Gruppe von Fanatikern und Auftragsmördern bereit ist, zu töten. Die Katholische Kirche, Interpol und der CIA tappen im Dunkeln.
Wer auf die Mixtur a la James Bond, Indiana Jones und "Illuminati" steht, wird schnell infiziert und kann das Buch in einem Rutsch verschlingen. Jedes Kapitel endet mit einem Paukenschlag und lädt zum Weiterlesen geradezu ein. Für einen Kultstreifen reicht das Buch zudem. Vielleicht wird der Roman verfilmt - lohnen würde es sich.