Die Pulle Jim Bean steht auf dem Tisch. Er brütet gedankenversunken vor sich hin, nimmt noch einen Hieb aus seinem Becher und dann ergreift er plötzlich das Wort. "Ich kenne Leute, die müssen sich eigentlich das Zeug direkt in die Pulsader spritzen, damit es ordentlich scheppert", sagt der junge Mann, der ab dem 15. November seinen ersten Auslandseinsatz in Afghanistan haben wird.
Er, Halbtürke, 24 Jahre alt, Zeitsoldat und Bundeswehrausbilder für Rekruten spricht von Whiskey, denkt dabei aber wohl eher an Opium fürs Volk. Direkt neben ihm sitzt eine, sagen wir, Intellektuelle. Die aus Oldenburg stammende Frau löchert ihn mit Fragen, während er seine Promille-Zahl deutlich hochschraubt - wobei er offen und ehrlich, für Jedermann hörbar, einiges preis gibt. Er erzählt über Erfahrungen anderer Soldaten in Afghanistan: "Die Olle hat ihm den Kiefer gebrochen, kannste du dir das vorstellen?" Sätze wie "Die Würde des Menschen ist unantastbar" oder "Ich weiß nicht, ob ich lebend da 'raus komme", sprudeln lallend aus ihm heraus. Sie setzt ihren verständnisvollen Blick auf und erinnert mich dabei irgendwie an Bärbel Höhn. Sprachlosigkeit.
Dann begleitet ihn ein Anflug von Selbsterkenntnis. "Jeder Junge der zur Bundeswehr geht, hat einen Dachschaden", sagt er, um wenig später die Begründnung für die von seiner Frau forcierten Trennung zu liefern. Die Intellektuelle bleibt weiter cool. Kurz bevor sie aussteigt, verrät er ihr dramatsich, warum er zur Bundeswehr gegangen ist. "Ich hab' s meinem Onkel auf dem Sterbebett versprochen." Wow, denke ich: Ein Mann, ein Wort. Jetzt brauch auch ich einen Drink.
Wenig später stoßen ein paar junge Hühner - vermutlich 18 bis 20 Jahre alt -, die gerade ein paar suffig-tolle Tage in Hamburg auf der Reeperbahn verbracht hatten, zu ihm. Der Hahn im Korb dreht völlig auf. Zumal er erfährt, dass zwei von ihnen auch aus Recklinghausen stammen. Es brächen alle Dämme. Die Whiskey-Pulle ist fast leer, er kramt noch schnell in seiner Tasche und siehe da: Es geht noch was! Die nächste, bitteschön. Die Girls sagen, nein Danke: Das Hamburger Trainingslager hatte ihnen wohl den Appetit auf das gnadenlose Zechen bis zum Zapfenstreich verdorben. Zunächst geht die ganze Leier wieder von vorne los. Er erzählt, bloß diesmal ist das Interesse relativ mau. Doch um mich herum sehe ich nur schmunzelnde Leute, die förmlich danach lechzen, dass er noch einen 'raushaut. Sie sollten recht behalten. Als er neuerliche Fakten aus dem Soldatenleben auf den Tisch legt, steigt die Aufmerksamkeit. "Ich kriege 12.000 Euro Cash für den Einsatz. Cash. 12.000 Euro Cash. Plus 3.000 Euro im Monat, Cash. Von der Kohle will ich eine Disko eröffnen." Okay, denke ich: Recklinghausen? Disco? Wenn er meint.
Die Geschichte mit seiner Exfrau, die ihn und ihr gemeinsames Kind verlassen hat, nagt dennoch an ihm. Er fragt die Mädels: Wenn ihr 24.000 Euro Cash kriegen würdet, ich sage Cash, würdet ihr doch einen Mann nicht verlassen. Außerdem zahlt die Bundeswehr doch eh alles. Miete, fürs Kind (...). Ich weiß nicht, aber ihr Frauen tickt irgendwie nicht richtig. Wenn man steuerfrei lebt, verlässt man doch den Mann nicht. Ich habe 1.800 Euro zum Ausgeben, Cash", prasselt es unverholen aus ihm 'raus. Die Girls sind sprachlos und versuchen ihm hinter die Blume gesprochen, klar zu machen, dass es vielleicht grundsätzlich an ihm selbst liege.
Dann das Finale. Nachdem er den 30 Kilometer-Lauf, bei dem zwei seiner Rekruten einen Kreislaufkollaps erlitten hatten, noch einmal Revue passieren ließ, drehte er nochmals verbal kräftig auf. "Hey, wenn mein Vater stirbt bin ich froh. Dann erbe ich nämlich zwei Häuser und zwar in Istanbul und Antalya am Strand. Der Vogel hat nichts drauf, der überweist mir jetzt schon 500 Euro monatlich, da habe ich zu ihm gesagt, bist Du krank, oder was? Ich hab' Krebs, hat er gesagt." Stille.
1 Kommentar:
Das sind also die Helden der Bundeswehr.
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