Mittwoch, 27. Januar 2010

Zungenmassaker

Er hat Schmacht ohne Ende, keine Zeit und reißt deshalb ohne mit der Wimper zu zucken die Asia-Fertigsnack-Tüte auf. Zehn Minuten später wähnt er sich im kulinarischen Olymp der Gaumenfreuden.

Weil er ja so auf scharfe Gerichte steht, meint er, dass sich noch ein paar Chili-Schötchen dazu gesellen sollten. Doch was er dann erleben sollte, hat ihm wahrhaftig die Schuhe komplett ausgezogen. Er nimmt die Gabel, schiebt sie sich in den Mund und denkt: "Wow, endlich Futtern wie bei Muttern." Er kaut - nein, eigentlich schlingt er die ersten drei Happen einfach nur runter - und sieht sich plötzlich beim nächsten Atemzug in der Hölle schmoren.

Er reißt den Mund weit auf, krächzt, fängt an zu Würgen, läuft in seiner Bude auf und ab und kann es nicht fassen: Er verdreht die Augen, seine eigentlich nicht vorhandene Brustbehaarung steht standhaft und die Schläfen ringen mit den Schweißtropfen. Was soll er tun? Wie im Affekt zieht er sich den zuckerreichen Eistee rein. Er sollte es bereuen. Die Eingeweide ziehen sich zusammen. Die Schärfe, die zuvor nur in Nuancen spürbar war, schlägt durch - die Speiseröhre bebt, der Magensaft wippt kräftig. Er greift sich an den Hals, schnürt seine Kehle ab und windet sich wie ein reudige Ratte am Boden, die soeben Gift in Reinform genießen durfte. Er braucht dringend einen "Painkiller".



Er rennt ins Bad und zunächst blickt er in den Spiegel. Mit Entsetzen sieht er seine feuerrote Zuge garniert mit kleinen, aber feinen Pusteln und Bläschen. Er beschließt den Duschkopf zu nutzen und spritzt sich eine amtliche Ladung Wasser in den Gaumen. Die Augen werden größer, nichts passiert, er gerät in Panik.



Dann haut er sich noch zusätzlich eine schicke Mundspülung in den Hals und dreht durch! Nein, ein erfahrener Thai-eat-Eater ist er nicht. Morgen gibts Milchreis mit Zucker und Zimt.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Rattenkalt


Eine Plage: Immer mehr ummantelte Menschen fühlen sich vom Wetter gepeinigt. Die Minusgrade lassen fast jeden erschaudern. Doch einer wahren, niederträchtig-dreckigen Ratte schlägt die Saukälte niemals wirklich entgegen. Sie weiß stets, wo das Brain-Futter zu holen ist...Zieht Euch warm an!

Montag, 18. Januar 2010

Foetor ex ore - einfach atembraubend

Aufgedonnert kommt Madame ins Büro, lasziv dreht sie den Zeigefinger in den nach hinten wallenden Schal ein. Ihre roten High-Heels versprechen nur das Beste. Ihm verschlägt es die Sprache. Denn sie sieht nicht nur atemberaubend aus.

Schnellen Schrittes eilt sie auf ihn zu, reicht ihm die Hand und streichelt die dahinschmelzende Oberfläche seiner Haut mit ihren scharfkantigen Fingernägeln. Ihre strahlendweißen Zähne funkeln im Duett mit ihren tiefblauen Augen. Adrett setzt sie sich auf den ihr angebotenen Stuhl. Sie will es, sie will es wissen -eindeutig. Er bleibt äußerlich cool, innerlich dreht er jedoch komplett durch.


Erst recht als die flüchtigen Schwefelverbindungen aus ihrem von feurig roten Lippen umrahmten Schmollmund zart hinauswehen. Ein Schwall zersetzter Bakterien bahnt sich raffiniert seinen Weg. Der Riechkolben ackert kräftig. Das Parfüm ist umwerfend delikat. Die Konzentration ihres Duftstoffes haut ihn buchstäblich um. Das Begehren, sie loszuwerden, nimmt rasant zu. Doch sie redet sich rasend in Ekstase.

Er wendet sich dezent ab, bewegt den Zeigefinger von links nach rechts entlang seiner Nase und entwickelt eine unglaublich geruchsintensive Antipathie. Doch der Nebel will sich einfach nicht lichten - der Muff treibt sein kolossales Unwesen. Die angeschwollenen Mandeln werden sichtbar. Ihm wird speiübel.

Doch dann fällt ihm ein, dass er schnellstmöglich zu einem Termin muss. Die Abschiedszeremonie beginnt. Auf 1,85 Meter Entfernung bedankt sie sich für das intensive Gespräch. Sie lacht herzhaft aus vollem Hals. Voll ist nun auch sein Maß. Er schwangt, verdreht die Augen und sinkt beinahe vollkommen geplättet zu Boden. Doch je mehr er sich ihren Füßen nähert, desto mehr steigt sein endloses Verlangen sie zu verabschieden. Er schreit innerlich um Hilfe, kniet in Gedanken nieder und fleht darum, erlöst zu werden. Dann ist sie weg, nicht ohne ihm noch einmal den Hauch eines langatmigen Lächelns entgegenzuwerfen. Schließlich findet er auf der Toilette die Vollkommenheit der extravaganten Gerüche...

Dienstag, 12. Januar 2010

Chaostage mit dem Mann aus den Bergen

Mit Hängen und Würgen öffnet er die Tür, geht aus dem Haus, rutscht kräftig aus und verschwindet in einer 3,85 Meter hohen Schneewehe. Zum Glück ist er der sich auftürmenden Lawine entgangen, die sich selbst unmittelbar vor ihm pulverisiert. Dennoch bleibt er liegen. Er fängt an zu visionieren. In ihm regiert das Chaos.

Er trägt drei paar Socken, türkische Schuhe, eine rote lange Unterhose, die Jeans, ein T-Shirt, zwei Schlümpfe sowie eine halb winterfähige Jacke, dazu eine Mütze und Handschuhe. Doch der Mann des Schnees - man nennt ihn auch den Yeti des Teutos - verwittert dank der Witterung.

Er blickt auf: Seine Augen erkennen beim fürchterlichen Schneetreiben jedoch nur schemenhaft, was um ihn herum geschieht. Es ist nahezu stockfinster, genauso wie sein Geist völlig umnachtet zu sein scheint.

Die Eiszapfen wachsen ihm bereits aus der Nase, seine Augenbrauen sind eingeweißt und er wähnt sich in der Verbannung Sibierens - soweit die Füße tragen. Er hat den Zustand völliger Verwirrung und Unordnung erreicht. Chaos.

Keine Menschenseele traut sich vor die Tür. Allerorten sind die Hauseingänge komplett zugeschneit. Wo vor einigen Tagen noch das Leben tobte, türmen sich ausschließlich weiße Berge auf. Im Inneren der Häuser, zumindest ab dem zweiten Stock, flackert das Kerzenlicht, dass er hinter den vereisten Fenstern vermutet. In der Ferne glaubt er ein Rudel Eisbären zu erkennen. "Moment, Eisbären sind Einzelgänger", denkt er. Die Hallus sind da: Es sind autonome Schneemänner mit ihren orangefarbenen Nasen, die mit ihren Besen brutal aufeinander einschlagen. Chaostage.

Der Eiswind bläst gewaltig. Er ist auf der Hut. Er hat Kohldampf und pirscht sich robbend den Rentieren entgegen. Doch die Indios aus den Taigawäldern, ehemals Bewohner der August-Bebel-Straße, sind schneller und massakrieren die Herde Kopf um Kopf. Doch dann ist sie da, die Mega-Lawine. Sie begräbt alles unter sich, lediglich ein paar Handschuhe sind noch zu sehen. Der Mann aus den Bergen wacht auf und denkt. "Wow, endlich mal ein amtliches Gehirnchaos im arktischen Traumsumpf - alles andere ist doch Geplänkel."

Dienstag, 5. Januar 2010

Heldenhaft ganz unten

"Zeit aufzustehen. Es ist 5.55 Uhr", schallt es gnadenlos aus dem Lautsprecher des Handys. Akut umnebelt presst sich das Dilirium durch sein Bewusstsein. Sein Kopf wiegt schwer. "Das darf nicht wahr sein", denkt er. Und doch muss er der bitteren Realität des neuen Jahres ins Auge blicken. Putschi-putschi, Urlaub und alles, was dazugehört, war gestern, malochen heute.

Zwanghaft steigt er ins Taxi, lässt den quälenden Monolog des Fahrers an sich vorbeiziehen und steigt dann am Bahnhof aus. Miesgelaunte Menschen, die vor einigen Stunden mutmaßlich noch gut drauf waren, blicken ihn mit grauenhaft finsteren Augen an. Von Party keine Spur. Saukälte schlägt nicht nur den von Halluzinationen und Wahnvostellungen heimgesuchten Leidensgenossen entgegen. Die Unruhe ist spürbar. Der Zug kommt.

Das Rangeln um die Plätze beginnt. Die Pole-Position erreicht er nicht. In siebter Reihe schafft er es schließlich, das Abteil zu betreten. Nestelnde Bewegungen allerorten. Keine Chance. Ab in den nächsten Waggon. Plätze Fehlanzeige, dafür wird kräftig geschnarcht. Die Leichen des Jahreswechsels berauschen sich anscheinend immer noch - diesmal allerdings an ihren traumatischen Erlebnissen.

Schließlich landet er im Abteil für Kinder. Doch dort wird keineswegs gepennt. Im Gegenteil: die Kids im Alter von etwa drei bis sechs Jahren sind gut drauf, aber so was von gut drauf. Törö. Die Karnevalsparty steigt bereits um 7.03 Uhr. Tröten rauben ihm den letzten Nerv. Konsterniert begibt er sich fluchtartig ins Bistro. Kaffee ist angesagt. Die Laune steigt in Nuancen. Immerhin seine, denn die Bedienung ist nicht so heißblütig wie der Kaffee, dafür eher giftig-freundlich und komplett angenervt. Apropos. Wenig später beginnt der Arbeitstag. 9.40 Uhr. Das Telefon klingelt in einer Tour und gefühlte 578 Mails warten darauf, bearbeitet zu werden. Er steckt virtuell den Finger in den Hals und röchelt ordentlich ab. Held der Arbeit, herzlich Willkommen im neuen Jahr!